Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie es zu dem Ausdruck „Meine bessere Hälfte“ kommt? Vielleicht hast du ja selbst eine bessere Hälfte zuhause?
Als bessere Hälfte scheint man etwas zu besitzen oder zu können, was der andere nicht hat oder kann. Mein Partner/Partnerin ergänzt mich, füllt etwas auf oder man könnte auch sagen bringt einen, mir scheinbar fehlenden Teil mit. Das fühlt sich spannend an und am Beginn der Beziehung wirkt es anziehend und faszinierend. Der eine ist eher ein ruhiger Typ und der/die andere extrovertiert und laut. Einer ist mutig und hat wilde Hobbies, der/die andere ist eher ängstlich und zart. Sie ist etwas chaotisch, künstlerisch und kreativ und er ist strukturiert, sehr ordentlich und kontrolliert. Es sind oft tatsächlich zwei Polaritäten, die sich begegnen und beschließen eine Bindung einzugehen. Gerade der Gegenpol scheint so interessant und zieht magisch an, da man ihn ja anscheinend nicht selbst besitzt. Es scheint wie Plus und Minus, wie Rechts und Links, wie Heiß und Kalt.
Leider schleicht sich nach einer gewissen Zeit eine Art Sättigung oder sogar ein „ZU viel“ ein, das heißt, was mich am Anfang so faszinierte, wirkt nun störend und nervend.
Das laute und extrovertierte Verhalten wird vom ruhigen und zarten Partner/Partnerin als klein machend, übergriffig und persönlich verletzend empfunden. Im Gegenzug empfindet der extrovertierte Part den ruhigeren als Schlaftablette und viel zu schwach. Die bessere Hälfte, der Gegenpol wird zum störenden Element, was bis zur Trennung führen kann.
Sind beide Pole der Beziehung über längere Zeit in ihren Qualitäten festgefahren, so geschieht es, dass sich die zu Beginn erfahrene Anziehungskraft eher abstoßend auswirkt. Was braucht es, damit das nicht geschieht, sondern die Spannung und Anziehung gehalten werden?
1. Es braucht das Verständnis für die andere Seite, die andere Qualität. Beide Pole sind weder richtig, noch falsch, sondern einfach unterschiedlich. Jede Seite hat seine Berechtigung, seine Gründe und seine Qualitäten. Schau auf die Welt deines Partners/Partnerin und lege dabei alle Bewertungen auf die Seite. Versuche das Gute, die Qualität darin zu entdecken. Das, was dich stört ist meistens das, was dich am Beginn eurer Beziehung angezogen hat.
2. Es braucht einen dritten Part, etwas Neues, das sich aus beiden Polen vereinen darf.
(Unbewusst geschieht das, wenn einer der Partner eine Außenbeziehung eingeht oder wenn ein Paar versucht mit einem Kind die Beziehung zu retten)
Etwas Neues, das aus beiden Polen entstehen kann, ein Drittes, damit meine ich etwas anderes als eine Affäre oder ein Kind zum Kitten der Beziehung.
Dieser zweite Schritt braucht den ersten als Grundlage. Hast du die Qualität im Gegenpol erkannt, dann ist es an der Zeit ein Stück davon in dein eigenes Leben zu integrieren. Dein Partner/Partnerin ist eher extrovertiert, sagt klar seine/ihre Meinung und steht kraftvoll für sich ein? Du bist eher zurückhaltend, mehr introvertiert, ruhige und schluckst viel herunter? Dein Prozess, deine Aufgabe ist, ein bisschen mehr wie dein Partner/Partnerin zu werden. Nicht genau wie er oder sie, sondern etwas Neuses, das aus beiden Qualitäten entsteht, aus deiner und aus der deines Partners/Partnerin. Nimm ein Stück der besseren Hälfte in dich hinein, um neu zu werden. In diesem Beispiel wäre deine Aufgabe weniger zu schlucken und mehr für deine Seite, deine Welt, deine Wünsche und Werte einzustehen und dich damit zu zeigen. Dein Partner, der ja eher der Extrovertierte ist, der manchmal zu stark seine Seite vertritt und damit dominant erscheint, hat ebenfalls eine Aufgabe. Seine Aufgabe ist es, mehr auf deine Seite zu schauen und die Qualität darin zu entdecken, die er im Moment noch nicht leben kann. In diesem Fall könnte das bedeuten achtsamer in Beziehung zu gehen, zu spüren, wenn er zu vehement seine Meinung vertritt und die des Partners/Partnerin abwehrt. Er darf aus seinem extrovertierten Zustand mehr in die Ruhe gehen und damit etwas introvertierter werden und sich selbst spüren.
Es gibt Menschen, denen es leichtfällt Veränderung herbeizuführen und ein Stück der Qualität des Partners in ihr eigenes Leben zu integrieren, wenn sie erkannt haben was dafür nötig ist,.
Doch meistens gibt es innere Grenzen, die verhindern das zu tun. So könnte eine innere Grenze ein Glaubenssatz sein: „Wenn ich mehr meine eigene Meinung vertrete und mehr meinen eigenen Wünschen folge, dann wird mein Partner unzufrieden, dann findet er mich zu kompliziert, die Harmonie geht verloren und am Ende folgt sogar die Trennung. Ganz am Grunde steht meistens die Angst alleine zu sein.
Wenn beide Partner beginnen sich selbst zu reflektieren und in die Welt des Anderen zu sehen, um diese zu verstehen und ein Stück, der dort gefundenen Qualität in ihr Leben integrieren, so entsteht etwas Neues, ein Drittes, das ausgleichend und verbindend in Beziehung wirkt. Es gibt dann nicht mehr zwei gegensätzliche Polaritäten, sondern jeder nimmt ein Stück vom Gegenpol und wird damit ganzer.
"Es ist leichter Probleme zu lösen, als mit ihnen zu leben."